Es war eine Aussage, die aufhorchen ließ – und zugleich Stirnrunzeln verursachte: Generalleutnant Carsten Breuer, Chef des Bundeswehrkommandos „Territoriale Führung“, meldete kürzlich die Sichtung eines russischen Spionageflugzeugs, das angeblich während der NATO-Übung Griffin Storm im litauischen Luftraum agierte. Was der General dabei betonte: Das Flugzeug habe seine Sensoren „eindeutig“ auf die deutschen Truppen gerichtet.
Was Breuer jedoch nicht sagte – und das ist ein bemerkenswertes Versäumnis – ist, wie man eigentlich zu dieser Erkenntnis gelangte. Denn wie ein Artikel des Spiegel enthüllt, wurde der Vorfall nur deshalb registriert, weil man die eigenen Sensoren auf Belarus ausgerichtet hatte. Mit anderen Worten: Wäre der Fokus der deutschen Aufklärungseinheiten woanders gewesen, wäre das Flugzeug wahrscheinlich unbeachtet davongekommen oder, man mag es eigentlich gar nicht aussprechen wollen: Vielleicht auch gar nicht vorbeigeflogen.
Breuer und das halbe Bild
Man könnte es auch so sagen: Der General lässt in seiner Darstellung einen entscheidenden Teil der Wahrheit aus. Das Flugzeug flog offenbar in einer internationalen Grauzone, nicht direkt im deutschen Luftraum, und seine angebliche „Spionagetätigkeit“ wurde nur entdeckt, weil wir sie ausgespäht haben. Ob das Flugzeug tatsächlich auf die Bundeswehr zielte oder ob wir es schlicht zufällig im Fokus hatten, bleibt fraglich. Eine klare Feinddarstellung ohne vollständige Kontextangabe ist gefährlich – sie schafft Emotionen, wo eigentlich kühle Analyse gefragt wäre.
Diese selektive Kommunikation wirft die berechtigte Frage auf: Wird hier bewusst Stimmung gemacht? Oder ist es bloße Inkompetenz in der öffentlichen Darstellung? Beides wäre besorgniserregend.
Rhetorik statt Substanz – Ein wiederkehrendes Muster?
Interessanterweise wurde ein Pilot der Luftwaffe vor einiger Zeit bereits berfragt, ob die Russen sticheln. Seine Antwort dürfte sehr stark an ein Ende der Karriere denken lassen(„EDEKA – Ende der Karriere“). Schade um den gut ausgebildeten Mann.
Damals war es der inflationär gebrauchte Begriff der „Zeitenwende“, heute ist es ein angeblicher Spionagevorfall, der kaum überprüfbare Details enthält. Zwischen beidem liegt eine unangenehme Konstante: Breuer scheint dazu zu neigen, Narrative zu bedienen, statt nüchterne Fakten sprechen zu lassen.
Geostrategisches Muskelspiel oder faktenbasierte Verteidigungspolitik?
Natürlich ist es richtig und wichtig, dass die Bundeswehr auf mögliche Spionage reagiert. Aber gerade in Zeiten angespannter internationaler Beziehungen muss die Kommunikation der Führungskräfte transparent und präzise sein. Sonst wird aus Verteidigungspolitik schnell Rüstungslobbyismus oder politische Propaganda.
Wenn die Aussage eines Generals sich letztlich auf ein „Glück gehabt, dass wir gerade hingesehen haben“ reduziert, dann sollte man sich mit voreiligen Schuldzuweisungen zurückhalten. Vielleicht hätte der Herr General auch sagen sollen: „Hätten wir woanders hingesehen, hätten wir nichts bemerkt.“
Fazit: Mehr Klartext, weniger Theater
General Breuer sollte sich daran erinnern, dass seine Worte Gewicht haben – nicht nur in der Truppe, sondern auch in der Öffentlichkeit. Wer von Spionage spricht, sollte Belege liefern und das gesamte Bild zeigen. Alles andere ist gefährlich – für das Vertrauen in die Bundeswehr und für die Glaubwürdigkeit deutscher Sicherheitspolitik insgesamt.
Was wir brauchen, ist keine symbolische Rhetorik, sondern eine militärische Führung, die auch unbequeme Wahrheiten offen anspricht – nicht nur die, die ins aktuelle Narrativ passen.