„Das Komische als Brennglas“ – Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor an Heinz Strunk verliehen

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“TV, Geld zählen, geile SMS, Bundeswehr” nennt der Schriftsteller, Kolumnist, Musiker und Schauspieler Heinz Strunk selbstkritisch und ironisch als seine Hobbies. In Kassel wurde ihm am Samstag, 29. Februar, der mit 10 000 Euro dotierte Literaturpreis für grotesken Humor verliehen. Zugleich ging der Förderpreis Komische Literatur in Höhe von 3.000 Euro an die Autorin und Künstlerin Chrizzi Heinen.

Oberbürgermeister Christian Geselle hob in seiner Ansprache die Bedeutung Kassels als heimliche Hauptstadt für Komik, Satire und grotesken Humor hervor.

Die Preisverleihung eröffnet das Kasseler Komik-Kolloquium, ein Festival zur Literatur und Wissenschaft des Komischen, das es seit 20 Jahren gibt und zum neunten Mal stattfindet. Bis zum 7. März gibt es Veranstaltungen mit Lesungen, Wortkabarett, Chansons, Poetry-Jazz, einer Ausstellung und einer Fachtagung zum Thema “Komik und Sex” (www.komik-kolloquium.de).

Lebendiges Gesamtkunstwerk des grotesken Humors Der Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor, vergeben von der Stiftung Brückner-Kühner und der Stadt Kassel, ehrt in Strunks Werk besonders die literarische Seite dieses “lebendigen Gesamtkunstwerks des grotesken Humors”, wie es in der Preisurkunde heißt.

“Wie kein anderer verkörpert der Schriftsteller, Kolumnist, Song-Texter, Musiker, Comedian und Schauspieler Heinz Strunk als lebendiges Gesamtkunstwerk den grotesken Humor in allen seinen Formen. Literarisch führt seine postmoderne, subversive Erzählkunst auf schonungslose Weise mitten in das von der Konsumgesellschaft beschädigte Leben”, heißt es in der Begründung zur Preisvergabe. Strunks Prosa sei voller Trostlosigkeit, Scheitern, Obsessionen und Abgründe, das Peinliche wie das Böse balanciere er virtuos auf einem tragikomischen Grat zwischen Ekel und Scham. “Das Grotesk-Komische wirkt dabei als Brennglas, als Läuterung und als Schutz. Im Medium des Humors hat er mit dem “Strunk-Prinzip” eine raffinierte literarische Sprache entwickelt, mit der er menschlichem Leid angemessen komisch und human-humorvoll zugleich begegnet.”

Die Lobreden hielten der Regisseur Lars Jessen für Heinz Strunk und für Chrizzi Heinen ihr Verleger Volker Surmann.

Heinz Strunk erklärte in einer hochkarätigen Dankrede seine Auffassung von Komik als engagierter Kunst (eventuelle Aktualisierung, wenn der Preisträger seine Rede zur Verfügung stellt). Preis für den Debütroman: Chrizzi Heinen Mit ihrem Debütroman “Am schwarzen Loch” hat die Autorin Chrizzi Heinen ein nach Meinung der Jury “ganz außergewöhnliches Debüt” vorgelegt. Sie konnte sich damit gegen Vorschlägen von 40 Verlagen durchsetzen. “Vielseitig, witzig und gewitzt entfaltet die Autorin hier die skurrile Idee, ein schwarzes Loch zum Handlungsträger zu machen. Durch dieses Loch getrieben werden Themen wie Großstadtmilieus, musikalische Subkulturen, Wissenschafts- und Kunstbetrieb, Freundschaft, Liebe und Tod mit immer wieder anderen, überraschenden Sprachspielen. Das parodistisch bis grotesk Komische federt dabei eine tiefe Melancholie ab. Wie der Roman liefert auch Heinens subversives “Vakant”-Verlagsprogramm mit seinen imaginären Titeln einen starken und aktuellen Beitrag zur literarischen Hochkomik”, heißt es in der Begründung zur Preisverleihung.

“Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor” und “Förderpreis Komische Literatur”

Der “Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor” wurde der Stadt Kassel von der Stiftung Brückner-Kühner zum Geschenk gemacht und erstmals 1985 vergeben. Er ist mit 10.000 Euro dotiert und wird Sprachkünstlerinnen und Sprachkünstlern (im ersten Jahrzehnt des Preises auch  Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftlern) zugesprochen, deren Werk sich auf hohem künstlerischen Niveau durch Humor, Komik und Groteske auszeichnet. Folgende Personen erhielten die Kasseler Auszeichnung: Loriot, Eike Christian Hirsch, Ernst Jandl, Wolfgang Preisendanz, Irmtraud Morgner, Ernst Kretschmer, Robert Gernhardt, Walter Hinck, Christoph Meckel, Volker Klotz, Hanns Dieter Hüsch, Karl Riha, Max Goldt, Franzobel, Ingomar von Kieseritzky, Peter Bichsel, George Tabori, Franz Hohler, Eugen Egner, Ror Wolf, Katja Lange-Müller, Gerhard Polt, F.W. Bernstein, Peter Rühmkorf, Herbert Achternbusch, Thomas Kapielski, Ulrich Holbein, Wilhelm Genazino, Dieter Hildebrandt, Frank Schulz, Wolf Haas, Karen Duve, Eckhard Henscheid und zuletzt Sibylle Berg.

Den gleichzeitig vergebenen “Förderpreis Komische Literatur” in Höhe von 3000 Euro, gefördert von der Kasseler Sparkasse, erhielten Frank Schulz, Jochen Schmidt, Tilman Rammstedt, Jess Jochimsen, Philipp Tingler, Michael Stauffer, Rebekka Kricheldorf, Jan Neumann, Tino Hanekamp, Wolfram Lotz, Arno Camenisch, Kirsten Fuchs, Ferdinand Schmalz, Dagmara Kraus und zuletzt Jakob Nolte.

Die Stiftung Brückner-Kühner

wurde 1984 von den Schriftstellern Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner ins Leben gerufen, die 30 Jahre zusammen in Kassel lebten und dort 1996 kurz nacheinander verstarben. Die Stiftung wirkt heute als Literaturzentrum auf den Gebieten des Komischen und der international avancierten Poesie, und sie unterhält das Dichterhaus Brückner-Kühner als Literaturmuseum, um von hier aus die Erinnerung an das Stifterpaar wach zu halten.

Dem Stiftungsrat gehören folgende Personen an: der Literaturprofessor Dr. Dr. h.c. Walter Pape (Vorsitzender, Köln), die Lektorin Dr. Renate Jakobson (Berlin), Friederike Emmerling, Leiterin des Verlags S. Fischer Theater und Medien (Frankfurt a.M.), der Literaturwissenschaftler und Autor Christian Maintz (Hamburg), der Literaturprofessor Dr. Uwe Wirth (Gießen), Dr. Thomas Wohlfahrt, Leiter des Hauses für Poesie in Berlin, sowie einmalig, wer zuletzt mit dem Kasseler Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Geschäftsführender Kurator der Stiftung ist der Literaturwissenschaftler Dr. Friedrich W. Block.

Näheres zum Engagement der Literaturstiftung unter http://www.brueckner-kuehner.de.

Hintergrund

Über Heinz Strunk

Der Schriftsteller, Musiker und Schauspieler Heinz Strunk wurde 1962 in Hamburg geboren. Er ist Gründungsmitglied des hanseatischen Komik-Trios “Studio Braun” (mit Jacques Palminger und Rocko Schamoni) und hatte auf VIVA eine eigene Fernsehshow. Seit März 2012 veröffentlicht Heinz Strunk im Satiremagazin Titanic seine Kolumne “Das Strunk-Prinzip”. Sein erster Roman “Fleisch ist mein Gemüse” wurde ein Bestseller und Vorlage eines preisgekrönten Hörspiels, eines Theaterstücks und eines Kinofilms. Acht weitere Bücher sind hinzugekommen. Der Roman “Der goldene Handschuh” (2016), ebenfalls ein Bestseller und Grundlage für das gleichnamige Filmdrama von Fatih Akin, brachte Strunk den Wilhelm-Raabe-Preis ein. In der Verfilmung seines Romans “Jürgen” (2017), mit dem Strunk sich laut NDR einmal mehr als “großer deutscher Humorist” erweist, spielte Strunk selbst die Titelrolle. Zusammen mit Charly Hübner (als Jürgen Doses Freund Bernd Würmer) erhielt er 2018 eine Goldene Kamera für den besten deutschen Fernsehfilm.

Über Chrizzia Heinen

Chrizzi Heinen,wurde in Köln geboren und studierte dort Musikwissenschaften, Philosophie und Musiktherapie. 2012 promovierte sie mit einer musikwissenschaftlichen Arbeit über Berliner Experimental- und Musikkulturen. Neben ihrem Schreiben widmet sie sich der künstlerischen Arbeit an Zeichnungen und Gemälden, organisiert Ausstellungen, komponiert, produziert Hörspiele und wirkte in diversen Musikprojekten mit. Im März 2019 erschien ihr erster Roman “Am schwarzen Loch” im Satyr-Verlag; ein zweiter Roman ist in Vorbereitung. Seit Juni 2019 ist sie Leiterin und künstlerische Kuratorin des durch den Vakant-Verlag initiierten “Instituts für Imaginäre Literatur” in Berlin, wo sie seit 2005 auch lebt.

Stadt Kassel


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