Armut wird nicht hingenommen – Kasseler Pakt gegen Armut nimmt Arbeit auf

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Das Interesse ist groß: Mehr als 150 Teilnehmende zählte die Auftaktveranstaltung des Kasseler Pakts gegen Armut am Freitag, 16. September, im Rathaus. Viele Vertreterinnen und Vertreter verschiedener sozialer Arbeitsbereiche, Wohlfahrtsverbände, aus Religionsgemeinschaften sowie aus Politik, Wirtschaft und Stadtgesellschaft bekundeten schon vor Ort ihren Willen, im Pakt aktiv mitzuarbeiten.

„Ich bin überwältigt von der großen Resonanz für dieses Vorhaben! Mit dem Kasseler Pakt gegen Armut wollen wir gemeinsam die Lebenslagen und die Lebenschancen der von Armut betroffenen Menschen in unserer Stadt verbessern und ihre Teilhabechancen spürbar stärken“, so Bürgermeisterin und Sozialdezernentin Ilona Friedrich während der Auftaktveranstaltung. Friedrich wies darauf hin, dass sich die Situation von Armut betroffener Menschen infolge der Pandemie und des Ukraine-Kriegs weiter verschärft habe.
In Kassel hat die Armutsquote mit über 18 Prozent einen hohen Stand erreicht. Allein über 22.000 Menschen beziehen hier vor Ort Leistungen nach dem SGB II, nicht eingerechnet jene Menschen, die auf Grundsicherung oder Wohngeld angewiesen sind. Steigende Lebenshaltungs- und Energiekosten beeinträchtigen die Lebenssituation vieler Menschen. Die Stadt und die Zivilgesellschaft engagieren sich seit langer Zeit in vielfältiger Weise gegen Armut. „Auch diesen neuen Herausforderungen muss sich die Stadt stellen. Eine gute Gesellschaft ist daran zu erkennen, wie sie mit ihren schwächeren Gruppen umgeht, der Pakt wird hier ein maßgeblicher Akteur sein“, so Friedrich. „An den Regelsätzen können wir zwar als Kommune nichts ändern, aber wir können sehr wohl mit kommunaler Schwerpunktsetzung die gesellschaftliche Teilhabe stärken und die Lebenschancen von Menschen in unserer Stadt verbessern. In der Armutspräventionspolitik fangen wir nicht bei Null an. Es gibt eine Vielzahl von Beispielen aus den letzten Jahren, die bundesweit ihresgleichen suchen.“ So wurde beispielweise 2018 die „Mittendrin!Teilhabecard“ und in der Folge das „Mittendrinticket“ für Menschen, die Transferleistungen erhalten, eingeführt.

Soziologin Allmendinger lobt Paktgründung
Bei der Auftaktveranstaltung referierte Jutta Allmendinger zur Armut in Deutschland. Die Soziologin ist seit 2007 Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung an der Humboldt-Universität Berlin. In ihrem Vortrag beleuchtete sie die wesentliche Rolle von Bildung bei der Armutsprävention: „Wenn nach neuesten Erhebungen circa 25 Prozent aller Viertklässler funktionale Analphabeten sind: Wie können wir so etwas zulassen, wenn unser Land vor einem erheblichen Fachkräftemangel steht?“ Allmendinger stellte fest, dass seit Jahren die Ursachen von Armut ebenso bekannt seien wie effiziente Maßnahmen zur Armutsbekämpfung: „Es gibt kein Wissensdefizit, sondern ein Handlungsdefizit!“ Sie begrüße ausdrücklich die Kasseler Initiative einer Paktgründung.

Erste Vorstudie zur Situation in Kassel vorgestellt
Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel, der mit seinem Team den Pakt zukünftig wissenschaftlich begleiten wird, stellte die Ergebnisse einer ersten Vorstudie zur Armutspolitik in Kassel vor. „Armutsprävention und Armutsbekämpfung sind für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und damit nicht zuletzt auch für eine funktionierende Demokratie unabdingbar“, mahnte Schroeder an.

Vier große Themen im Blick
Koordiniert wird der Pakt vom ehemaligen Leiter der kommunalen Arbeitsförderung Carsten Höhre. Der Pakt soll bestehende Ressourcen und Aktivitäten auf kommunaler Ebene identifizieren, miteinander vernetzen und wirkungsvoller einsetzen. Gleichzeitig sollen neue lokale Ansätze zur Armutsprävention und Armutsbekämpfung entwickelt und durchgeführt werden. Herzstück des Vorhabens sind vier Paktforen. Diese kümmern sich um die Handlungsbereichen Wohnen, Energie- und Lebenshaltungskosten, Kinder- und Familienarmut, Altersarmut sowie Arbeit und soziale Teilhabe.
Die Foren entsenden jeweils ihre Sprecherinnen und Sprecher sowie deren Stellvertretungen in den Paktrat unter Vorsitz der Bürgermeisterin und Sozialdezernentin. Von dort werden die jeweiligen Ansätze der Foren in den politischen Entscheidungsprozess eingespeist. Eine jährliche Paktkonferenz aller Forenmitglieder ergänzt die Struktur. „Netzwerke werden geknüpft, Pakte aber werden geschmiedet“, betonte Höhre den hohen Grad an Verbindlichkeit der Paktarbeit.

Die erste Arbeitskonferenz, in der sich unter anderem die Foren konstituieren werden, findet am Mittwoch, 16. November, statt. „In der zukünftigen Arbeit wird es auf Sie, auf uns alle ankommen. Es wird darum gehen, welche Themen gesetzt und bearbeitet werden. Die Wissenschaft wird uns beraten und begleiten, aber es wird vor allem auf die Praxis ankommen, auf das, was rauskommt. Für die Menschen, um die es geht“, so Bürgermeisterin Ilona Friedrich.

Weitere Information zum Pakt gegen Armut gibt es auf www.kassel.de/paktgegenarmut.

documenta-Stadt Kassel


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