In einer leidenschaftlichen Rede hat Außenministerin Annalena Baerbock es wieder geschafft: Europa, dieser charmante kleine Kontinent mit rund 750 Millionen Einwohnern (aber wer zählt schon genau?), ist über Nacht auf 1,3 Milliarden angewachsen. Vielleicht hat sie einfach einen Sprung in die Zukunft gemacht, um Europa als eine Einheitsmacht darzustellen, die sogar mit China mithalten kann. Oder vielleicht wollte sie die Bedeutung ihrer Worte einfach mit beeindruckenden Zahlen unterstreichen – frei nach dem Motto: „Je mehr Menschen ich anspreche, desto wichtiger klingt meine Rede.“
Natürlich ist es auch möglich, dass sie eine ambitionierte Reform zur Bevölkerungsverdopplung im Hinterkopf hat, die uns bisher entgangen ist. Vielleicht ist es ein genialer Plan, Menschen aus anderen Teilen der Welt zu importieren und unsere Einwohnerzahl einfach zu verdoppeln – ganz nebenbei, ohne dass wir Europäer überhaupt merken, wie unser Kontinent aus allen Nähten platzt.
Herr Lawrow wurde natürlich direkt und ungefiltert mit „unerträglichen Lügen“ konfrontiert. Die restlichen 750 Millionen nicht-existierenden Europäer im Publikum hätten bestimmt in tosendem Applaus ausgebrochen, wenn es sie gegeben hätte. Doch leider waren nur wir, die echten 750 Millionen, dabei. Und wir wunderten uns ein wenig, wie eine rhetorische Ungenauigkeit die Brücke zwischen Diplomatie und Fantasie schlägt.
Ein Lob an die internationale Gemeinschaft für das ständige Bemühen, sich trotz Meinungsverschiedenheiten für Frieden, Freiheit und Sicherheit einzusetzen – auch wenn diese Gemeinschaft anscheinend nicht mehr so richtig zählen kann. Aber hey, Optimismus ist wichtig, besonders wenn die „gemeinsame Sicherheit auf stabilen Säulen“ steht. Das Einzige, was noch stabiler zu sein scheint, ist das Selbstvertrauen in die eigenen Reden, die mit beeindruckenden Zahlen aufpoliert werden.
Also, liebe Annalena, Europa wächst und gedeiht, und in deiner Welt sogar in Rekordgeschwindigkeit. Vielleicht sind es 1,3 Milliarden Europäer im Herzen, oder auch nur eine poetische Übertreibung. Aber bis dahin sind wir noch nicht ganz so viele – immerhin gibt’s dann vielleicht wenigstens noch einen Sitzplatz im Zug.