Einschulungsuntersuchung: Weniger Kinder mit Übergewicht

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In Rahmen der Einschulungsuntersuchung (ESU) werden in der Stadt Kassel jährlich rund 2.000 einzuschulende Kinder vom Gesundheitsamt Region Kassel untersucht.

Dabei können nicht nur Entwicklungsverzögerungen in den Bereichen Sprache und Motorik, sondern auch gesundheitliche Probleme der Kinder erkannt werden. Die Ergebnisse der Untersuchungen für das Schuljahr 2023/24 zeigen ein gemischtes Bild. Während weniger Kinder übergewichtig oder adipös sind, zeigen im Vergleich zu den Vorjahren immer mehr Kinder Auffälligkeiten in den Seh‐ und Hörtests. Auch in der Sprachkompetenz haben die einzuschulenden Kinder weiterhin Aufholbedarf.

„Die hessenweit standardisierte Einschulungsuntersuchung ermöglicht es, frühzeitig zu entdecken, wenn es gesundheitliche und entwicklungsbedingte Notwendigkeiten gibt, Kasseler Kinder in bestimmten Bereichen gezielt zu unterstützen und zu fördern. Dabei geht es aber nicht darum, ob ein Kind besteht oder gar durchfällt. Vielmehr bieten die Ergebnisse die Chance, den Kindern und so auch deren Familien individuelle Hilfe anbieten zu können. Die Untersuchung ist somit ein wichtiges Instrument für Kitas, Schulen und Eltern, um auf noch gering entwickelte Potenziale zu reagieren und so die Bildungs‐ und Gesundheitschancen eines Kindes fördern und sichern zu können,“ so Schul‐ und Gesundheitsdezernentin Nicole Maisch.    

Der Ablauf und das Ziel

Die Einschulungsuntersuchungen sind eine der größten Präventionsmaßnahmen des Landes und werden in fast allen Bundesländern standardisiert durchgeführt. Sie beinhalten den Hör‐ und Sehtest, das Erfassen von Größe und Gewicht, das Messen des Blutdrucks und des Pulses, eine körperliche Untersuchung und die Untersuchung des allgemeinen Entwicklungsstandes des einzuschulenden Kindes. Ein Teil der Untersuchung wird durch eine medizinische Fachangestellte, der andere Teil durch eine Ärztin des Gesundheitsamtes Region Kassel durchgeführt.

Im Anschluss findet ein Gespräch mit dem begleitenden Sorgeberechtigten statt. Dabei wird insbesondere das Ergebnis der Untersuchung und die individuelle Schulempfehlung des Kindes besprochen. Sollte sich bei einem Kind ein Förderbedarf in verschiedenen Bereichen ergeben, so kann auch die Empfehlung zu einer Rückstellung in die Vorklasse oder in die Kindertagesstätte erfolgen. Diese Empfehlung will erreichen, dass das Kind in der ersten Klasse nicht überfordert wird. „Dabei geht es in keiner Weise um Versagen. Kinder wollen in der Schule dazugehören und nicht auffallen, weil sie beim Lernen oder im Sport nicht mithalten können. So eine Rückstellungsempfehlung ist also eher ein Booster für die eigenen Fähigkeiten“, so Maisch.

Die Auswertung

Für die Einschulung in das Schuljahr 2023/24 wurden in der Stadt Kassel insgesamt 2.028 Kinder im Alter von vier bis sieben Jahren untersucht. Wobei der Großteil der Vorschulkinder fünf und sechs Jahre alt ist. Von den untersuchten Kindern waren 52 Prozent Jungen und 48 Prozent Mädchen. 

Die Ergebnisse

Die verschiedenen Daten und Antworten der untersuchten Kinder weisen auf spezifische Förderbedarfe hin, zeigen aber auch besondere Stärken in einzelnen Stadtteilen. So hatten in der ESU für das Schuljahr 2023/24 Kinder in den Stadtteilen Brasselsberg, Fasanenhof und Jungfernkopf eine gute Feinmotorik der Hände, konnten also beispielsweise gut zeichnen. Vorschulkinder aus Jungfernkopf, Südstadt und Brasselsberg konnten gut erzählen oder Worte nachsprechen und verfügten somit über eine gute Sprachkompetenz. Im Stadtteil Mitte hatten die untersuchten Kinder eine besonders gute Körperkoordination, welche zu den grobmotorischen Fähigkeiten zählt.

Übergewicht und Adipositas
Insgesamt ist der Anteil der übergewichtigen und adipösen Kinder in der Stadt Kassel im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen (2022: 14,5 Prozent; 2023: 12 Prozent). Dennoch gibt es Stadtteile, in denen in 2023 mehr Kinder Probleme mit dem Gewicht hatten als in 2022. „In den prozentual am stärksten betroffenen Stadtteilen Bettenhausen sind etwa 25,2 Prozent, in Nord‐Holland 20,2 Prozent und in Rothenditmold 17,6 Prozent der Kinder betroffen. Hier sollten in den Kitas und Grundschulen zusätzliche Angebote zur Bewegungsförderung und Ernährung geschaffen werden“, empfiehlt Dr. Britta Röper, Leiterin des Gesundheitsamtes Region Kassel.

Motorische Fähigkeiten (Grob‐ und Feinmotorik)
Nachdem im Jahr 2022 der Anteil der Kinder mit Auffälligkeiten in der Feinmotorik abgenommen hatte (15,9 Prozent), steigt der Prozentwert in 2023 auf 18,7 an. Vor allem in den Stadtteilen Nord‐Holland (32,2 Prozent), Rothenditmold (31 Prozent) und Unterneustadt (28,9 Prozent) hatten die Kinder in der Untersuchung Schwierigkeiten bei der feinmotorischen Bewegung der Hände.
Positiv ist, dass im Jahr 2023 etwas weniger Kasseler Kinder Probleme bei der Koordination des Körpers, also der Grobmotorik, hatten (2022: 7 Prozent; 2023: 6,6 Prozent). Betrachtet man die prozentualen Anteile, zeigt sich in den Stadtteilen Oberzwehren (14 Prozent), Nordshausen (13,6 Prozent) sowie Wolfsanger‐Hasenhecke und Waldau (jeweils 10,1 Prozent) dahingehend am meisten Förderbedarf. 

Insgesamt weisen die aktuellen Ergebnisse der ESU darauf hin, dass die für das Schuljahr 2023/24 untersuchten Kinder der Stadt Kassel eher feinmotorische als grobmotorische Schwierigkeiten hatten.

Sprachkompetenz
Die Ergebnisse aus der Überprüfung der Sprachkompetenz in der Unterrichtssprache Deutsch zeigen, dass auch in der ESU für das Schuljahr 2023/24 ein Viertel der Kasseler Kinder sprachauffällig war (25,4 Prozent). In den Stadtteilen Nord‐Holland und Wesertor betraf dies jeweils 44,4 Prozent der Vorschulkinder. In Rothenditmold 37,1 Prozent (siehe Abbildung 1).

„Besonders in den am stärksten betroffenen Stadtteilen sind zusätzliche Sprachförderprogramme zur Verbesserung der Sprachkompetenz der Kinder erforderlich. Das bezieht auch Stadtteile mit ein, in denen im Vergleich zum Vorjahr mehr Kinder sprachauffällig waren. Mit dem Fachtag „Gelingende Sprachförderung für gutes Aufwachsen – Wirken wir schon?“ am 12. Juni, wurde der Startschuss gelegt, diesem bestehenden Problem gemeinsam mit allen Akteurinnen und Akteuren der Stadt Kassel zu begegnen“, erläutert Bürgermeisterin Maisch. 

Auch im Jahr 2023 weisen die Ergebnisse der ESU darauf hin, dass Kinder in mehreren schulrelevanten Bereichen von einem regelmäßigen Besuch einer Kita profitieren. Es wird zum Beispiel deutlich, dass sich der Kitabesuch ab einer Dauer von 18 Monaten positiv auf die Entwicklung der Sprachkompetenz auswirkt (siehe Abbildung 2). „Die Daten zeigen erneut die Notwendigkeit, allen Kindern der Stadt Kassel einen Platz in einer Kita zur Verfügung zu stellen“, so Maisch. 

Sehen und Hören
„Der Anteil der Vorschulkinder mit Auffälligkeiten beim Sehtest (Sehschärfe) ist im Jahr 2023 auf einem besorgniserregenden Höchststand. Waren es 2022 noch 37,5 Prozent der Kinder mit Sehschwierigkeiten, sind es in der aktuellen Untersuchung 40,3 Prozent“, stellt Gesundheitsamtsleiterin Röper fest. Auch beim Hörtest, bei dem die Hörkraft getestet wird, schneiden immer mehr Kinder schlecht ab (2022:15,5 Prozent; 2023: 19,9 Prozent).
In den Stadtteilen Bettenhausen (55,2 Prozent), Nordshausen (54,2 Prozent) und Forstfeld (53,1 Prozent) zeigen über die Hälfte der dort untersuchten Kinder Auffälligkeiten beim Sehtest (siehe Abbildung 3). Beim Hörtest sind es vorwiegend Kinder aus Niederzwehren (41 Prozent), Forstfeld (29,5 Prozent) und Mitte (28,6 Prozent) mit auffälligen Ergebnissen (siehe Abbildung 4). 

„Wichtig dabei ist die Einordnung: Es handelt sich noch nicht um festgestellte Seh‐ oder Hörschwächen. Durch diese Tests erkennen wir Auffälligkeiten beim jeweiligen Sinnesscreening, die eine Überweisung zu einer Fachärztin oder einem Facharzt erfordern. Die Gründe für die auffälligen Ergebnisse der Kinder im Sinnesscreening können vielfältig sein: Nachlassende Konzentration in der Untersuchung, Sprachbarrieren oder vermehrte Infekte der oberen Atemwege mit vorübergehender Minderung der Hörleistung“, erläutert Michaela Maßmann‐Pabst, Ärztin und Leiterin der Abteilung Kinder‐ und Jugendgesundheit des Gesundheitsamtes Region Kassel.

Impfen
In der Stadt Kassel ist das nationale Impfziel zum Masernschutz von 95 Prozent mit der aktuellen Impfrate der Einschulungskinder erstmals erreicht. Sie liegt im Schuljahr 2023/24 bei 95,1 Prozent. Die Prozente der Impfrate basieren auf der Auswertung der vorgelegten Impfdokumente. Diese lagen in 2023 bei 93,7 Prozent der Kinder vor.

Maßnahmen

Aus den Ergebnissen der ESU für das Schuljahr 2023/24 ist abzulesen, dass schon viele Maßnahmen, die in der Stadt Kassel umgesetzt wurden, wirken. Schon früh lernen die Kinder gesundheitsfördernde Verhaltensweisen durch den „zuckerfreien Vormittag“ und Informationen über gesunde Ernährung in den Kindertagesstätten. „Niedrigschwellige Bewegungsangebote in Kitas, aber auch in den Vereinen, fördern die Motorik und Koordination von Kindern und vermitteln Spaß an der Bewegung. Auch werden hier Kontakte zu Gleichaltrigen gefördert. Das unterstützt vor allem die Kinder, die noch nicht lange in Deutschland sind, ihre Sprachkompetenzen in Deutsch zu verbessern. Auch die Nutzung der Kinder‐ und Jugendbücherei oder der Stadtteilbüchereien kann mit Vorleseangeboten eine gute Möglichkeit der Sprachförderung sein“, so Bürgermeisterin Maisch. „In den Familienzentren der verschiedenen Stadtteile gibt es viele Angebote, die sich an Familien mit Kindern verschiedener Altersstufen richten. So können gemeinsame Brettspiel‐ und Bastelangebote die Feinmotorik verbessern und Fördermöglichkeiten für Familien im Alltag aufzeigen.“

Ein weiterer wichtiger Baustein zur Stärkung der Sprachkompetenz, ist die flächendeckende Umsetzung des hessischen Kindersprachscreenings (KiSS) in allen Kindertagesstätten. Durch dieses Screening werden medizinisch oder pädagogisch abklärungsbedürftige Sprachauffälligkeiten bereits bei Kindern im Alter von vier bis viereinhalb Jahre erkannt und notwendige Fördermaßnahmen eingeleitet. Gleichzeitig dient das für KiSS fortgebildete pädagogische Fachpersonal in den Kitas als Multiplikator zur Sprachförderung.

Dass in der Stadt Kassel erstmals eine Masernimpfquote von 95 Prozent bei den Einschulungskindern erreicht werden konnte, kann auf das Masernschutzgesetz und die Umsetzung in der Stadt durch Mitwirkung des Gesundheitsamtes Region Kassel zurückgeführt werden. 

Das Präventionsangebot der Stadt Kassel „Willkommen von Anfang an“ begrüßt nun auch Zweit‐, Dritt‐ und Mehrgeborene sowie Kinder unter einem Jahr, die mit ihren Familien nach Kassel gezogen sind. Bei den Besuchen versorgen die Begrüßungsbesucherinnen die Familien mit allen wichtigen Informationen über gesundheitsfördernde Maßnahmen, Kindertagesbetreuung und Angebote im Stadtteil, die sich auch an ältere Geschwisterkinder richten. Mit dem Angebot „Wir im Quartier“ werden niedrigschwellige Beratungen zu verschiedenen Themen, wie zum Beispiel Kindergesundheit, in vielen Stadtteilen kostenfrei durchgeführt. 

„Bei allen gesundheitsförderlichen Angeboten ist es wichtig, dass diese passgenau auf die jeweiligen Stadtteile oder Einrichtungen zugeschnitten werden. Durch die Auswertung der Ergebnisse der ESU können notwendige Maßnahmen an die jeweiligen Bedarfe angepasst werden“, sagt Maisch.

Ausblick

Um die Ergebnisse der ESU der vergangenen Schuljahre noch ausführlicher darzustellen und zu erläutern, ist ein neuer Kindergesundheitsbericht in Arbeit. Neben den ESU‐Daten der Jahre 2018, 2019, 2020, 2022 und 2023, wird dieser Daten der zahnmedizinischen Reihenuntersuchungen sowie die Ergebnisse des Kasseler Kindergesundheitsindex (KIKiG) enthalten. Die Veröffentlichung des Kindergesundheitsberichts ist für kommenden Sommer geplant. 

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