Mitarbeiterüberwachung: Was darf der Chef kontrollieren?

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Von fachanwalt.de-Redaktion, letzte Aktualisierung am: 23. Februar 2021

Der Arbeitsplatz ist jener Ort, an dem Beschäftigte zu gut einem Drittel Ihres Tages zubringen. Laut Arbeitsrecht ist die reine Anwesenheit am Arbeitsplatz nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht die Verpflichtung zur Leistung und die Erfüllung der übertragenen Aufgaben. Erst dann wird die Vergütung, wie vereinbart, fällig. Mitarbeiterüberwachung kann ein Instrument für den Arbeitgeber sein, mit dem er feststellt, ob Leistung und Aufgabenerfüllung mit seinen Vorstellungen konform gehen. Doch wie sieht es rechtlich aus, was ist möglich, was ist zu beachten?

Rechtliche Situation

Die Überwachung von Arbeitnehmern verfolgt in aller Regel unterschiedliche Zwecke.


Mitarbeiterüberwachung (© Andrey Popov / fotolia.com)
Das beginnt bei der Optimierung der Prozesse, geht über die Kontrolle der Leistungserfüllung, bis zur Vermeidung oder Aufdeckung von Straftaten. Dabei werden drei Bereiche tangiert:

  • und Persönlichkeitsrechte
  • persönlicher Datenschutz
  • betriebliches Personalwesen

Dementsprechend komplex ist die Bewertung der rechtlichen Situation. Jede Überwachung der Mitarbeiter*innen ist vom Grundsatz ein Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte nach § 2, Abs. 1 GG und den geltenden Datenschutzrichtlinien.  

Gibt es ein explizites Recht zur Mitarbeiterüberwachung

Grundsätzlich besteht so ein Recht nicht. Der Arbeitnehmer erbringt seine Leistung nach Treu und Glauben. Das ist ein Begriff, der bereits im römischen Recht (bona fides) verankert war. Er beschreibt das Sozialverhalten eines „redlich und anständig handelnden Menschen“. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass er einen triftigen Grund braucht, um Mitarbeiter gezielt zu überwachen.

Vorerst räumt er einen weitgehenden Vertrauensvorschuss ein, um nicht gegen die gesetzlich verankerten Persönlichkeitsrechte und das informationelle Recht der Selbstbestimmung zu verstoßen. Letzteres ist das Recht des Einzelnen, selbst über die Herausgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Damit tangiert die Mitarbeiterüberwachung den zentralen Kern der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Was ist erlaubt, was verboten?

Im Normalfall werden Verhalten und geforderte Leistung in einem Arbeitsvertrag geregelt. Zusätzlich können noch Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge, individuelle Vereinbarungen ergänzende Regelungen beinhalten. Das ist der Rahmen, in dem sich das Verhalten der Beschäftigten bewegt und der die Möglichkeiten der Mitarbeiterüberwachung begrenzt.

Was ist unter betrieblicher Übung zu verstehen?


Stechuhr (© Ralf Geithe / fotolia.com)
Wenn in einem Unternehmen ein bestimmtes Verhalten nicht ausdrücklich verboten ist, es sogar über einen längeren Zeitraum „stillschweigend“ geduldet wurde, entsteht daraus der Begriff der „betrieblichen Übung“. Als Beispiel kann man hier private Telefonate oder E-Mails nennen. Solange kein explizites Verbot ausgesprochen wurde, kann der Arbeitgeber nicht dagegen vorgehen (Abmahnung, Kündigung). Vereinfacht könnte man sagen: Alles was nicht explizit verboten wurde, ist grundsätzlich, in einem geordneten Rahmen, erlaubt.

Einsehen und Lesen von E-Mails

Wenn die private Nutzung der unternehmerischen Mailkonten nicht explizit verboten wurde, dann besteht kein Recht zur Kontrolle. Stichprobenartige Prüfungen in regelmäßigen Abständen sind nur erlaubt, wenn die private Nutzung vertraglich untersagt wurde. Der Arbeitgeber hat die Verpflichtung, alle Vorsorgen zu treffen, damit die personenbezogenen Daten der Mitarbeiter geschützt werden. Allerdings hat er das Recht, ohne Einschränkung auf die beruflichen Mails zuzugreifen. Eine Auseinandersetzung ist dann zu vermeiden, indem die private Korrespondenz über einen eigenen Mailaccount abgewickelt wird.

Private Nutzung des firmeneigenen Computers

Arbeitgebern ist es nicht erlaubt, die Nutzung des Computers mittels eigener Software zu kontrollieren. Prinzipiell ist die private Nutzung (Surfen im Internet, Facebook, etc.), wenn auch nur kurzzeitig verboten, der Arbeitgeber muss das nicht tolerieren. Da er jedoch nur eingeschränkte Möglichkeiten der Kontrolle hat, wird der darauf vertrauen, dass dies nur in zeitlich begrenztem Umfang passiert (Grundsatz von Treu und Glauben).

Ein Verbot im Arbeitsvertrag zur Nutzung des Internets zu privaten Zwecken, bedarf der Zustimmung des Betriebsrates (§ 87, Nr. 6 BetrVG). Um rechtlich sicher zu agieren, sind nachstehende Punkte zu empfehlen:

  • Klares Regelwerk, wenn die Nutzung des Internet kontrolliert werden soll.
  • Über Art und Ausmaß dieser Kontrollen sind die betroffenen Beschäftigten zu informieren.
  • Falls darüberhinausgehende Kontrollen einzelner oder mehrere Mitarbeiter*innen erforderlich sind, bedarf es entsprechender Grundlagen.
  • Alle betroffenen Beschäftigten sind im Vorfeld über die Konsequenzen eines Verstoßes zu informieren (Abmahnung, Kündigung, Schadensersatz).
  • Der Betriebsrat hat ein Mitspracherecht.

Darf der Arbeitgeber die Telefonnutzung überwachen?

Telefone dürfen nur abgehört, Telefongespräche nur aufgezeichnet und gespeichert werden, wenn die beteiligten Personen explizit zustimmen.

 Telefonnutzung (© Bojan / fotolia.com)Das kommt im Unternehmensbereich weniger zur Überwachung vor, sondern eher dann, wenn Gespräche zu Schulungs- oder Trainingszwecken aufgezeichnet werden. Auch in diesen Fällen ist vom Angerufenen vorher die Zustimmung einzuholen. Nur dann dürfen

  • Gesprächsinhalt
  • Gesprächsdauer
  • Beginn und Ende des Gesprächs

aufgezeichnet werden.

Privat geführte Telefonate können viel Zeit und auch Geld kosten. Deshalb ist eine Abmahnung und im Wiederholungsfall eine außerordentliche Kündigung möglich. In diesen Fällen wird nicht der Inhalt des Gespräches, sondern rein die Dauer als Kriterium herangezogen, in Einzelfällen auch die geographische Lokalisierung des Angerufenen. Der Call an sogenannte „Mehrwert-Nummern“ fällt ebenso in die Klasse der unerlaubten Telefonate. 

Ist eine GPS-Überwachung erlaubt?

Laut BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) ist eine Überwachung nur erlaubt, wenn die schutzwürdigen Interessen der Arbeitnehmer gewährleistet sind. Eine GPS-Überwachung stellt eine Verbindung zwischen Aufenthalts- oder Standorten mit den Personendaten her. Damit ist ein Verstoß gegen die Datenschutzbestimmungen gegeben.

Allerdings kann der Arbeitgeber einwenden, dass es für die ordnungsgemäße Führung des Unternehmens erforderlich ist, die zurückgelegten Wege aufzuzeichnen. In manchen Fällen kann es sich sogar gegen die Interessen der Beschäftigten richten, wenn dies nicht passiert (Kilometer-Abrechnung, Fahrtkostenvergütung, etc.). Es sind in diesen Fällen, wie auch bei der Videoüberwachung in (teil-)öffentlichen Räumen, die Interessen des Arbeitgebers, denen der Mitarbeiter*innen gegenüberzustellen.

Darf der Arbeitgeber eine Videoüberwachung in Betrieb nehmen?

Das hängt davon ab, ob der überwachte Raum öffentlich zugänglich ist. Darunter sind auch Räume mit Kundenverkehr zu verstehen, wenn ausreichend begründetes Interesse vorliegt (bspw. eine Bankfiliale). Jede Überwachung mittels Video  muss hinreichend ersichtlich bekannt gemacht werden.

Nicht erlaubt ist die Überwachung von Büros, Pausenräumen und anderen Arbeitsplätzen. Es dürfen keinesfalls in überwiegend privat genutzten Räumen (Toiletten, Umkleideräume, Ruheräume, etc.), Kameras installiert werden. Es ist auch nicht erlaubt, eine Überwachung durch Kameraattrappen zu simulieren, da in diesen Fällen ein zu hoher Überwachungsdruck aufgebaut wird, der ebenso einer Verletzung der Persönlichkeitsrechte zuzuordnen ist, da sich die Beschäftigten nie sicher sein können, ob sie nun tatsächlich überwacht werden.

Falls jedoch ein Arbeitgeber einen ausreichend begründeten Verdacht ins Treffen führen kann, dann liegt berechtigtes Interesse vor. In dem Fall ist eine Videoüberwachung zur Beweissicherung (auch verdeckt, bspw. durch einen Detektiv) erlaubt. Dies allerdings nur kurze Zeit und wenn kein anderes wirksames Kontrollmittel zur Verfügung steht. 

Im gegenteiligen Falle ist eine illegale Videoüberwachung mit Tonaufzeichnung eine Straftat nach § 201 StGB und mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von ein bis drei Jahren bedroht.

Mitarbeiterüberwachung und Home-Office

Die Arbeit in den eigenen vier Wänden (Home-Office) nimmt rapide zu. Für manche Arbeitgeber ein Anlass über verstärkte Überwachung nachzudenken. Vom rechtlichen Standpunkt ändert sich nichts. Was im Betrieb erlaubt / verboten ist, ist es auch an der Arbeitsstätte in der eigenen Wohnung.


HomeOffice (© maglara / fotolia.com)
Schwieriger ist die tatsächliche Kontrolle der Arbeitszeiten. Der Europäische Gerichtshof hat dazu entschieden (Az. C-55/18), dass der Arbeitgeber die Log-In-Daten und mittels geeigneter Technik die Arbeitszeiten zu erfassen hat. Das ist allerdings noch nicht in die nationale Gesetzgebung übernommen. Weitere Fragen dazu:

Darf der Browserverlauf ausgewertet werden?

Wiederum nur zulässig, wenn ein konkreter Verdacht der übermäßigen Nutzung vorliegt oder eine Straftat vermutet wird.

Sind sogenannte „Key-Logger“ rechtmäßig?

Key-Logger sind kleine Programme, die oft unbemerkt vom Benutzer, die Tastatureingaben und Mausbewegungen protokollieren. Daten, die mit solchen Systemen erhoben werden, sind in gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht zu verwenden, da ihre Beweiskraft umstritten ist. Vom rechtlichen Standpunkt gesehen, ist so eine Software nur einzusetzen, wenn der Verdacht auf eine Straftat oder schwere Pflichtverletzung besteht.

Sind Aufzeichnungen mit der Web-Cam zulässig?

Viele Rechner, vor allem Laptops, die vermehrt im Home-Office Verwendung finden, haben Kameras eingebaut. Technisch besteht die Möglichkeit diese zu aktivieren, ohne dass es der Benutzer merkt. Das ist genauso unzulässig, wie eine Videoüberwachung mittels stationärer Kameras. Eine Ausnahme ist dann denkbar, wenn es die einzige Möglichkeit ist, vermuteten Arbeitszeitbetrug nachzuweisen.

Überwachung der Mitarbeiter im Kontext mit Geschäftsgeheimnissen

Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist für Unternehmen von höchster Bedeutung. Es steht daher außer Frage, dass Schutzmaßnahmen in technischer und organisatorischer Hinsicht zu treffen sind. Doch sind in diesen Fällen ebenso die arbeitsrechtlichen Vorgaben zu beachten, den Arbeitnehmerdatenschutz ist zwingend gesetzlich vorgeschrieben.

Angekündigte und anlassbezogene Stichprobenkontrollen sind durchaus akzeptabel, wobei auf das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates geachtet werden sollte:

  • § 87, Abs. 1, Nr. 6 BetrVG: Implementierung und Überwachung durch Software
  • § 87, Abs. 1, Nr. 1 BetrVG: Überwachungsmaßnahmen

Der Schutz der IT-Infrastruktur und digitaler Daten gegen Systemausfälle oder Cyber-Kriminalität hat höchste Priorität, deshalb sind Systeme im Einsatz, die Verstöße gegen die Sicherheitsvorgaben automatisiert erfassen und aufzeichnen (loggen). In anderen Fällen kommt Soft- oder Hardware zum Einsatz, die unzulässiges Verhalten im Vorfeld unterbindet (Fingerabdruck-Leser, Iris-Scan, Virenprüfer).

Durch das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) sind Unternehmen verpflichtet sinnvolle Konzepte zu entwickeln und einzusetzen, um wertvolles Wissen zu schützen und im Unternehmen zu behalten. Anlassbezogene Prävention und Reaktion in Abstimmung mit dem Arbeitsrecht, gehört damit zu den elementaren Aufgaben des Unternehmers und gibt so sinnvollen Konzepten der Mitarbeiterüberwachung eine zusätzliche rechtliche Basis.

Wie gegen unerlaubte Überwachung vorgehen

Hat man als Arbeitnehmer den Verdacht vom Arbeitgeber unerlaubt überwacht zu werden, so stehen Anspruch auf Unterlassung, Schadensersatz und in manchen Fällen sogar Schmerzensgeld zu. Der erste Weg wird der zum Betriebsrat sein (sofern im Unternehmen einer installiert ist), alternativ auch zum Datenschutzbeauftragten des Unternehmens. Der Betriebsrat hat jedenfalls ein Mitspracherecht, wenn im Betrieb Anlagen und Geräte eingesetzt werden, die auch zur Mitarbeiterüberwachung dienen (Software, Kameras, etc.).

Beschäftigte haben laut Datenschutzgrundverordnung das Recht zu erfahren, welche personenbezogenen Daten erhoben und gespeichert werden und können deshalb eine Kopie dieser Daten verlangen. Daten, die gegen die Bestimmungen verstoßen, sind sofort zu löschen, ebenso alle Daten, deren Speicherdauer bereits beendet ist.

Laut DSGVO haben betroffene Arbeitnehmer das Recht, der Verarbeitung sie betreffender Daten zu widersprechen.

Folgen einer illegalen Überwachung für den Arbeitgeber

Empfindliche Strafen und Sanktionen drohen, wenn Mitarbeiter*innen unrechtmäßig überwacht werden. Unbefugte, vorsätzliche oder fahrlässige Erhebung und Speicherung nicht öffentlicher, personenbezogener Daten, stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu € 300.000,– bedroht ist.

Ist Vorsatz nachzuweisen, möglicherweise in Verbindung mit Vergütung (Detektiv), dann ist das mit einer Freiheitsstrafe von ein bis zwei Jahren zu ahnden.

Zusätzlich haben die betroffenen Beschäftigten einen Anspruch auf Schmerzensgeld, da ihre Persönlichkeitsrechte verletzt wurden.

Zusammenfassung / Fazit

Ein Arbeitgeber muss einen triftigen Grund anführen, wenn er vor hat Mitarbeiter zu überwachen. In aller Regel ist dies ein sehr konkreter Verdacht, dass ein schwerer Verstoß gegen die Pflichten vorliegt oder eine Straftat begangen wird / wurde. Die Darlegungs- und Beweislast ist in jedem Fall beim Arbeitgeber angesiedelt. Falls sich ein Arbeitgeber zu dieser Maßnahme entschließt, so muss sie in einem ausgewogenen Verhältnis zur Schwere des Vergehens stehen. Ebenfalls ist die Überwachung so transparent wie möglich zu gestalten. Die wichtigsten Punkte zusammengefasst:

  • Untersagt ist die Installation heimlicher Kameras zur Überwachung, ebenso wie der Einsatz eines Detektives außerhalb der Arbeitszeit.
  • Videoaufzeichnungen oder Mail-Analysen müssen transparent und nachvollziehbar sein, der Datenschutz, insbesondere die Löschfristen, sind zu beachten.
  • Mitarbeiter*innen haben Anspruch auf Auskunft über sie betreffende, personenbezogene Daten.
  • Daten von offenen Überwachungssystemen sind nur bei Verdacht auf eine Straftat oder besonders schwerer Pflichtverletzung heranzuziehen.
  • Eine Überwachung von Mitarbeitern in den sozialen Netzwerken, unter Umständen mit einem gefälschten Profil, ist unzulässig. Das ist ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und wird in gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht anerkannt.
  • Der Einsatz von Spähprogrammen (Key-Logger, etc.) verstößt gegen das Recht der informationellen Selbstbestimmung und ist damit verboten. Ebenso ist es untersagt private E-Mails zu kontrollieren.
  • dürfen nur geortet werden, wenn der Mitarbeiter darüber informiert wurde und er der Maßnahme zugestimmt hat.


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