Krankenkasse muss Brustwarzenrekonstruktion durch Tätowierer bezahlen

Estimated read time 3 min read
[metaslider id=10234]

München/Berlin (DAV). Die Krankenkasse muss die Kosten für bestimmte Behandlungen übernehmen, die nicht in ihrem Leistungskatalog stehen, wenn sie nicht rechtzeitig reagiert. Dann tritt eine sogenannte Genehmigungsfunktion ein. Die beantragte Leistung darf aber nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen liegen. Dies ist nicht der Fall, wenn nach einer Brustoperation ein Tätowierer eine Mamillenpigmentierung vornimmt. Die gesetzliche Krankenkasse muss den Tätowierer unter bestimmten Umständen bezahlen, so das Bayerische Landessozialgericht am 27. Februar 2020 (AZ: L 20 KR 106/19).

In dem von der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall, verlangte die Klägerin von ihrer gesetzlichen Krankenversicherung die Erstattung der Kosten für eine durch einen Tätowierer durchgeführte Pigmentierung der Mamille (Brustwarze).

Nachdem bei der Klägerin 2015 Brustkrebs festgestellt worden war, fand nach der Operation der Wiederaufbau der Brust statt. In der Folge wollte die Frau sich die Brustwarze durch einen Tätowierer rekonstruieren lassen. Am 2. Januar 2017 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme und legte einen Kostenvoranschlag vor. Erst am 8. März 2017 lehnte die Krankenkasse den Antrag ab. Die Krankenkasse teilte jedoch mit, dass die Kosten für die Behandlung übernommen würden, wenn die Klägerin dies durch einen Vertragsarzt oder ein Krankenhaus vornehmen lassen würde. Am 30. März 2017 ließ die Klägerin die Mamillenpigmentierung dennoch durch den Tätowierer vornehmen.

In erster Instanz scheiterte sie mit der Klage auf Kostenübernahme. Das Landessozialgericht gab der Frau jedoch Recht und verpflichtete die Krankenkasse, die Kosten für den Tätowierer zu übernehmen.

Es läge eine Genehmigungsfiktion der beantragten Maßnahme vor, erläuterte das Gericht. Die Genehmigungsfiktion tritt drei Wochen nach Antragstellung ein oder nach fünf Wochen, wenn noch ein ärztliches Gutachten erforderlich ist. Geschieht dies nicht, gilt die Maßnahme als genehmigt.

Diese Frist sei hier abgelaufen. Um Rechtsmissbrauch zu vermeiden, dürfe die Leistung jedoch nicht objektiv und offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung liegen. Dies sei dann der Fall, wenn jedem Versicherten klar sein müsste, dass die Krankenkasse diese Behandlung nicht bezahle. Zwar liege in diesem Fall die Tätowierung außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkasse, dies sei aber nicht für jeden offensichtlich. Das Einbringen von Pigmenten in Hautschichten stehe nicht unter einem Erlaubnisvorbehalt. Die Pigmentierung der Mamille sei nicht nur Ärzten vorbehalten. Außerdem sei in diesem Fall durch Experten bestätigt worden, dass die Pigmentierung durch einen Tätowierer als Teil der medizinischen Leistung zu betrachten sei. Daher habe die Frau davon ausgehen dürfen, dass dies von der Krankenkasse gedeckt sei.

Daran ändere auch nichts der ablehnende Bescheid vor der Durchführung der Maßnahmen. Die Genehmigungsfiktion sei bereits eingetreten. Würde man dies in diesem Fall anders sehen, würde die Genehmigungsfiktion weitgehend entwertet. Außerdem dürfe sich eine Versicherte bei unterschiedlichen (ärztlichen) Empfehlungen auf die günstigere berufen.

Information: www.dav-sozialrecht.de


[metaslider id=20815]

More From Author

+ There are no comments

Add yours

Wir freuen uns über Kommentare