Richie Mueller im Interview – „Es war mein absoluter Traumjob“

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Kassel, 25. April, 2020. Seit ein paar Tagen steht es fest: Richard, Richie, Mueller beendet seine Eishockeykarriere. Nach 16 Profijahren mit 1093 Spielen und 626 Toren ist nun definitiv Schluss. Wir sprachen mit dem 37-Jährigen über seine Karriere und das neue Kapitel in seinem Leben.

Hallo Richie, schön dass du Zeit für dieses Interview hast. Als erstes, wie kam es zu deinem Karriereende und was die Gründe dafür?

Es war sicherlich keine einfache Entscheidung für mich. Über die Zeit habe ich das Gefühl bekommen.
Es war nicht so, dass ich eines morgens aufwachte und wusste, es ist Zeit aufzuhören. Es war einfach
ein Gefühl über die letzten Monate hinweg. Ich werde bald 38 Jahre alt und muss mir auch Gedanken
machen, über ein neues Kapitel in meinem Leben. Und da habe ich eine gute Möglichkeit, hier in
Kassel zu bleiben und hier auch zu arbeiten. Als diese Chance kam, begann ich mich intensiver mit
meiner Zukunft auseinanderzusetzen, um die beste Entscheidung für mich und meine Familie zu
treffen. Und ich denke die beste Entscheidung ist, mit dem Eishockey aufzuhören und freue mich nun
sehr dieses neue Kapitel meines Lebens zu beginnen.

Werfen wir mal einen Blick zurück auf die Karriere des Richie Mueller. Stimmt es, dass du in deiner Jugend ein ausgezeichneter Leichtathlet warst und in deiner Heimat British Columbia
sogar einige Rekorde aufgestellt hast?

Ja, das stimmt. Bis zur neunten Klasse war ich Leichtathlet, bis das Eishockey dann alles übernommen
hat. Als ich jünger war, habe ich viele verschiedene Sportarten ausgeübt, wie zum Beispiel Tennis,
Leichtathletik und eben Eishockey. In Eishockey und Leichtathletik war ich aber immer am besten. Ich
machte immer die Sprintdisziplinen, also 100 Meter, 200 Meter und 400 Meter und ich hielt die British
Columbia-Rekorde in 100 und 200 Meter. Ob diese aber noch bestand haben, weiß ich nicht.

Ist das dann auch, wo deine Schnelligkeit auf dem Eis herkommt?
Ich denke schon. Das alles hängt schon zusammen. Ich habe bereits in jungen Jahren an meiner
Schlittschuhtechnik gearbeitet. Auf dem Eis habe ich auch mit einem Eiskunstlauftrainer
zusammengearbeitet, der mich die richtige Technik der schnellen Schritte gezeigt hat, was mir sehr
geholfen hat. Und auch so habe ich immer an meiner Explosivität gearbeitet. Da ich so ein kleiner
Spieler bin, kann ich meinen Körper nicht so gut einsetzten. So war es das Beste immer schneller zu
werden.

Wie bist du zum Eishockey gekommen und was fasziniert dich auch noch heute am Sport?
Ich habe mit dem Eishockey angefangen als ich fünf Jahre alt war. In Kanada ist es einfach der Nummer
eins Sport, so wie hier in Deutschland der Fußball. Man sieht Eishockey immer im TV, deine Freunde
spielen es. Es war einfach etwas, was ich unbedingt ausprobieren wollte. Meine Eltern haben mir dann
die Möglichkeit gegeben zu spielen und seit meinem ersten Mal auf dem Eis liebte ich es. Ich wusste,
dass ich das machen möchte und ich war sehr leidenschaftlich darüber seit dem ersten Tag.

Du hast über fünf Jahre in der kanadischen Nachwuchsliga WHL verbracht. Gibt es Gegenspieler oder Mitspieler, die in dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben sind und dich eventuell als Spieler auch geprägt haben?

Ich habe damals mit und gegen viele gute Spieler gespielt. Der bekannteste ist wohl Ryan Getzlaf, der
aktuell in der NHL mit den Anaheim Ducks spielt.
Ich hatte damals einige gute Jahre, aber nie wirklich Erfolg mit dem Team. Maximal habe ich die erste
Runde der Playoffs erreicht.

Nach deiner Zeit im Nachwuchs bist du dann von der Universität in Calgary nach Deutschland gewechselt. Was waren damals die Gründe für den Wechsel nach Deutschland?
Ich ging damals nach meiner Juniorenzeit an die Universität nach Calgary. Ich spielte dort auch für das
Uni-Eishockeyteam. Irgendwann hat dann ein neuer Spieler mittrainiert, der zuvor von den Eisbären
Berlin zurück nach Kanada an die Uni ging. Da ist ihm dann mein Können und meine Geschwindigkeit
aufgefallen. Er fragte mich eines Tages, warum ich es nicht mal in Europa probieren möchte und dass
er mir dabei helfen könnte. Er hat dann bei den Eisbären Berlin ein gutes Wort für mich eingelegt und
so kam ich dann nach Deutschland.
Mein Plan war es immer nach Europa zu gehen und dort zu spielen. Da mein Vater ja aus Deutschland
stammt, wusste ich auch, dass ich die deutsche Staatsbürgerschaft durch ihn einfacher bekommen
würde.

Vor 16 Jahren bist du dann das erste Mal nach Deutschland gekommen, um für die Eisbären Berlin zu spielen. Kannst du dich noch an die ersten Tage und Wochen in Deutschland erinnern
und wie war es damals für dich?

Ich erinnere mich noch an meinen ersten Tag in Berlin. Es war echt eine spannende Erfahrung. Als ich
zwölf Jahre alt war, war ich schon einmal in Deutschland. Ich spielte damals in einer Auswahl, die im
Sommer immer einige Spiele in Europa hatte. So spielten wir einige Testspiele in Deutschland,
Österreich und Tschechien. Deutschland war natürlich ganz anders als Kanada für mich, aber dennoch
sehr schön.

Im Dezember 2006 und 2007 hast du mit den Eisbären Berlin am legendären Spengler Cup teilgenommen. Welche Erinnerungen hast du an das Turnier und den Ort Davos?
Es war für mich eine unglaubliche Erfahrung gegen die besten Teams aus Europa zu spielen. Da es
damals ja noch keine Champions Hockey League gab, war die Turnier immer gut und hochklassig
besetzt. Vor allem gegen das „Team Canada“, das mit vielen Ex-NHL-Spielern, die nun in Europa unter
Vertrag sind, zu spielen, war natürlich klasse. Man konnte wirklich sein Können gegen einige der
besten Spieler der Welt, die eben nun in Europa spielen, testen.
Alles in allem war es einfach super. Auch neben dem Eis war es eine tolle Erfahrung, da Davos auch
eine schöne kleine Stadt ist.

Wie war es für dich in der Saison 2008/09 im Trikot der deutschen Nationalmannschaft aufzulaufen? Dein Vater Maximilian, der ja aus Augsburg stammt, war sicherlich unheimlich
Stolz, oder?

Ja, mein Vater war und ist sehr stolz auf mich. Auch, dass ich meine Familie hier in Deutschland
aufziehe. Es liebt Deutschland immer noch, feuert zum Beispiel nach wie vor die deutsche
Fußballnationalmannschaft an. Für ihn ist Deutschland immer noch sein zu Hause.
Er war damals natürlich sehr stolz, dass ich Nationalspieler wurde. Er kam sogar für die Länderspiele
der Olympia Qualifikation extra nach Hannover, um mich spielen zu sehen. Aber leider verpasste ich
dann aufgrund einer Verletzung die letzte Vorbereitung und somit die Chance auf die Olympischen
Spiele. Das war sehr schade für mich, aber dennoch bin ich sehr stolz die Möglichkeit gehabt zu haben,
für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen.

In der Saison 2011/12 hast du einen Abstecher nach Schweden gemacht und für Tingsryds in der zweiten schwedischen Liga gespielt. Wie war es in Schweden zu spielen und zu leben?
Schweden war auch ein großartiges Land, um dort zu leben. Es hat sich ein bisschen so angefühlt, als
würde ich wieder in Kanada sein. Eishockey ist auch in Schweden der Nummer eins Sport und auch so
dreht sich dort das Leben viel um Eishockey. Es war eine schöne Erinnerung, das Eishockey dort ist ein
bisschen anders als das Deutsche. Persönlich lief es für mich damals auf dem Eis nicht so rund. Aber
alles in allem war es eine schöne Erinnerung und hat Spaß gemacht dort zu spielen und zu leben.

Bereits 2010 hattest du in Kassel einen Vertrag unterschrieben, durch die Insolvenz der Huskies verlor man die DEL-Lizenz und konntest nicht für die Huskies spielen. Welche Erinnerungen hast du an diese speziellen Sommer in Kassel?
Ich habe es damals wirklich genossen. Ich war für ungefähr sechs, sieben Wochen in Kassel. Wir hatten
damals ein richtig gutes Team und die Sachen, die dann passiert sind, waren natürlich auch für uns
sehr traurig. Ich hatte mich gefreut in Kassel zu spielen.

In 2018 bist du dann ja aber nach Kassel zurückgekehrt. Wie waren die letzten beiden Jahre in Kassel für dich?
Es war eine tolle Zeit. Das leben in Kassel war und ist wirklich super, meine Familie und ich haben
einige Freunde auch abseits des Eishockeys gefunden, was die Sache immer ein wenig einfacher
macht. Meinem Sohn Nathan gefällt es auch gut, er spielt in der Eishockey-Jugend, spielt Fußball in
Lohfelden und geht seit letztem Sommer auch hier in die Schule.
Kassel hat so eine große Eishockey Geschichte und die Fans waren immer super zum Team und zu mir.
Generell ist das Gute an den Fans in Europa, dass sie so leidenschaftlich sind, die Ränge immer voll
machen und jedes Spiel so laut sind. Das gibt uns als Mannschaft immer unglaublich viel Energie gibt.
In Kanada, da ist es ganz anders. Da wird es eigentlich nur laut, wenn ein Tor fällt. Das ist wirklich
klasse, wie die Fans hier so leidenschaftlich für das Spiel und die Spieler sind.

Wenn du einmal auf deine ganze Karriere zurückschaust, an was erinnerst du dich am Meisten. Was wird dir für immer bleiben?
Ich denke der Mannschaftserfolg und auch meine persönlichen Erfolge. Ich wurde mit den Eisbären
Berlin drei Mal deutscher Meister und einmal deutscher Pokalsieger und mit den Löwen Frankfurt
gewann ich die Oberliga West-Meisterschaft und die DEL 2-Meisterschaft. Das waren alles besondere
Momente für mich. Persönlich wurde ich auch „Sportler des Jahres der Stadt Frankfurt“, wo ich mich
gegen einige andere super Sportler durchsetzen konnte, was für mich etwas Besonderes ist. Auch, dass
ich DEL 2-Top Torjäger mit Frankfurt und DEL 2-Top Scorer in meinem Jahr in Riessersee, sind für mich
besondere Errungenschaften.

16 Jahre hast du für insgesamt zehn verschiedene Vereine in Deutschland gespielt. Was magst du und schätz du am deutschen Eishockey?
Das Beste am deutschen Eishockey ist die Geschwindigkeit, da die Eisfläche im Vergleich zu
Nordamerika ja größer ist. Dennoch ist es auch sehr physisch, aber durch die größere Eisfläche ist es
einfach schneller und man hat mehr Platz. Wenn man ein schneller Spieler ist, dann hat man schon
einen Vorteil in Deutschland und Europa. Und natürlich ist auch die Stimmung in den Arenen einfach
unbeschreiblich.

Wie sehr bist du in den letzten Jahren ein Deutscher geworden und wie sehr fühlst du dich in Deutschland zu Hause?
Seit dem ersten Tag war Deutschland sehr herzlich zu mir und es gab eigentlich keine Probleme. Ich
habe es sehr genossen, die letzten 16 Jahre in Deutschland zu leben. Meine Frau ist seit dem ersten
Tag hier an meiner Seite gewesen. Ich habe jeden Moment, den ich in Deutschland leben konnte, sehr
genossen. Es ist einfach ein großartiges Land, um dort zum Leben. Wir sind sehr glücklich hier in
Deutschland zu sein und werden mindestens die nächsten Jahre, wenn nicht sogar länger, auch
hierbleiben.

Was denkst du, wirst du am Meisten vermissen?
Die Sache, die ich wohl am meisten vermissen werde, ist es einfach jeden Tag in die Eishalle zu
kommen und in der Kabine mit den Jungs Zeit zu verbringen. Wenn man sich das für einen bewusst
macht, dann ist es wirklich ein Traumjob. Du kommst zur Arbeit und kannst Zeit mit deinen 20 engsten
Freunden verbringen. Man hat einfach Spaß, arbeitet hart zusammen auf dem Eis und kämpft und
spielt zusammen. Man wird zu einer Familie. Durch die langen Busfahrten und vielen Stunden, die man
miteinander verbringt, entwickelt man eine starke Bindung. Da gibt es nichts vergleichbares. Es war
mein absoluter Traumjob.

Hast du bereits Pläne für die Zeit nach deiner Karriere als Eishockeyprofi?
Für meine Zukunft habe ich schon einen festen Plan. Ich werden mit der Agentur Müller aus Kassel,
eine Agentur spezialisiert auf Vertrieb von Kinowerbung und Akquise von Sportsponsorship,
zusammenarbeiten. Dort werden ich in den Bereichen Networking und Sponsoring für
Sportmannschaften, vor allem für Eishockeyteams, arbeiten. Ich kann ihnen mit dem Eishockey helfen
und sie mir mit dem Sponsoring. Ich freue mich auf diese neue Aufgabe.
Abschließend möchte ich noch Danke sagen, an die Organisation der Huskies and die Huskies-Fans,
dass sie mir die Möglichkeit gegeben haben in der Eishockeystadt Kassel zu spielen.

EC Kassel Huskies


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