Die „Berliner Zeitung“: Der „Völkische Beobachter“ der neuen alten SED-Seilschaften

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Ist es nicht schön wenn eine taumelnde Zeitung neue Eigentümer findet? In Zeiten schwindender Auflagen, wegbrechender Werbeeinahmen und damit schwierigen unternehmerischen Voraussetzungen ist dieser Mut von Investoren zu begrüßen. So haben auch die in gewissen Kreisen sehr gut bekannten Unternehmer Silke und Holger Friedrich den Sprung ins mediale Ungewisse gewagt. Echte deutsche Unternehmer, mit einer Botschaft im Herzen, die es zu vermitteln gilt.

Gerade in Zeiten, wo die SED-Rechtsnachfolgepartei DIE LINKE wieder salonfähig wird, einen Ministerpräsidenten Ramelow stellt und die Bundeshauptstadt so schön zurück auf alte Größe hievt.

So war dann auch das erste Grußwort der neuen Herausgeber lesenswert. Teilweise noch etwas verklausuliert, über große Passagen unleserlich, aber immerhin ambitioniert. So etwas liest man nicht alle Tage. Noch nicht mal in der ansonsten linksgeneigten Mainstreampresse, die Gefahren eher rechts der Mitte sieht. Also ab der FDP beginnend, deren Liberalität seit jeher verdächtig war.
So äußerte sich also der neue Herausgeber und Eigentümer Holger Friedrich umfänglich zur Wende. Nach 30 Jahren Mauerfall taten das viele. Nur nicht so. Daher ist dieser Versuch durchaus löblich, denn er zeigt etwas, was viele so auch zunehmend wahrnehmen. Der real gelebte Sozialismus kriecht aus den Ruinen zurück, die er der Zukunft abgewandt hinterließ.

So liest man zu Egon Krenz, dem letzten Heilsbringer der SED und dem Mann, der die politische Kontrolle über Erich Mielke, dem Minister für Staatssicherheit, ausübte, folgendes Bekenntnis:

„Egon Krenz hat mit dieser persönlichen Entscheidung (aufzuhören, Anm. der Redaktion) Millionen Menschen selbstbestimmte, positive Lebenswege ermöglicht, die uns unter anderem diesen Text in dieser Zeitung veröffentlichen lassen. Dafür sind wir ihm dankbar und möchten fragen, ob es in gleichem Masse gross war, ihn neben anderen zu viereinhalb Jahren Haft zu verurteilen.“

Neben dem inhaltlichen Fehler, dass Krenz zu sechseinhalb Jahren verurteilt wurde, und zwar nach DDR-Gesetzen, zeigt dieses Zitat ein erstaunliches Maß an Chuzpe (Def.: HIER). Schließlich war es Krenz, der den Schießbefehl an der Grenze, die Unterdrückung von Millionen und den Stasi-Apparat politisch orchestrierte. Und in Zeiten linker medialer Dickhäutigkeit mal ein Beispiel, wie schief das wirklich auf jeden normal denkenden Bürger klingt.
„Adolf Hitler hat mit seiner sehr persönlichen Selbstmordentscheidung im April 45 Millionen Menschen selbstbestimmte, positive Lebenswege ermöglicht, die uns unter anderem diesen Text in dieser Zeitung veröffentlichen lassen. Dafür sind wir ihm dankbar und möchten fragen, ob es in gleichem Masse gross war, ihn neben anderen auch noch in Abwesenheit bei den Nürnberger Siegertribunalen zum Tode zu verurteilen.“
Klar geworden, wie das außerhalb linker Stalinistensphären ankommt???

Der Autor kennt sowohl ehemalige Stasi-Offiziere wie auch Stasi-Opfer.
Erstere taten ihre berufliche Pflicht, wie auch heute die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und der Sicherheitsbehörden. Ähnlich derer, die es auch im SS-Reichssicherheitshauptamt und der Gestapo taten, aus denen die BRD- und DDR-Sicherheitsdienste beide (!) hervorgingen. Das mag für den einen oder anderen neu sein, ist aber so. Lediglich die politisch verseuchten Mitarbeiter wurden entlassen/bestraft. Der Rest war schnell wieder in Amt und Würden. Experten in Zeiten des Fachkräftemangels nach dem Krieg.

Daher kommt den Stasi-Opfern bei Herrn Friedrich’s Einlassung eine besondere Bedeutung zu. Denn Herr Friedrich war kein Opfer. Er war einer derer, die politisch sehr aktiv und als Wasserträger die Zubringer von Informationen waren, die andere dann zum Stasi-/SED-Opfer machten. Es waren Petzen, Spitzel und Denunzianten. Es waren Verräter. Menschen niedriger Gesinnung im Mantel des vertrauensvollen Nachbarn, Freundes oder gar Familienmitglieds andere als IM (informeller Mitarbeiter der Stasi) verrieten. Zu allerlei persönlichen Vorteilen jeder Art. Es waren charakterversagende Egoisten, Opportunisten und Karrieristen. Mit Tarnnamen versehen; im Falle von Herrn Friedrich, Peter Bernstein, damit ihre Identität bloß nicht rauskommt. Warum wohl nicht? Weil die Nachbarn, Freunde und Nachbarn dieses Werk missverstehen könnten? Trotz aller politischer Aufklärung zur Notwendigkeit die allgegenwärtige Konterrevolution eindämmen zu müssen??





Natürlich waren manche IMs gezwungen mitzumachen. Erpressbare Menschen waren schon immer beliebte „Mitarbeiter“ als Spitzel. Nur war das wohl bei Herrn Friedrich anders. Er schrieb als NVA-Unteroffizier akribische Berichte über seine Kameraden. Jeder Soldat weiß um die Bedeutung der Kameradschaft. Ihren Wert bei Gefahr um Leib und Leben. Und eben diese Kameradschaft hat er verraten. Das ist eine Steigerung dessen, was den Spitzel an sich ohnehin unerträglich in jeder Gesellschaft macht.

Und dieser charaktervollendete und ideologisch gefestigte SED-Sympathisant, Krenz-Fan und DDR-Aktivist schreibt nun in seiner Zeitung ein Manifest, dass all das zu Nichte macht, was die Zeitung seit 30 Jahren versucht hat aus ihrer journalistischen Mitte zu verbannen. Weg vom staatlich-linken Hornbläser hin zu einem linken Presseorgan auf Basis der freiheitlich-rechtlichen Grundordnung. Das gelang nicht immer. Gelinde gesagt. Aber es war ein Bemühen zu erkennen. Immerhin. Das ist rundum anerkennenswert. Zumal die Belegschaft nach der Wende nicht sehr… „heterogen“ war.
Doch was bewegt nun einen Menschen dazu Geld in die Hand zu nehmen, ein linkes Traditionsblatt zu kaufen und 30 Jahre journalistische Aufbauarbeit in einer freiheitlichen Gesellschaft ad absurdum zu führen? Sogar Herrn Krenz über zwei ganze Seiten ausführlich zu Wort kommen zu lassen?
Man stelle sich vor, man hätte 1975 die überlebenden Nazis so „geehrt“. Was wäre gewesen, wenn es 1945 auch keine Todesstrafe gegeben hätte und man zwei Seiten im Nachfolgeblatt des „Völkischen Beobachters“ oder „des Stürmers“ hätte zu Wort kommen lassen. Ungefiltert. Was hätte uns ein Baldur von Schirach, Julius Streicher, Hermann Göring oder gar ein Rudolf Hess alles erzählen können? Zu ihrer glanzvollen Entscheidung den zweiten Weltkrieg zu Ende gehen zu lassen…

Auch hier schluckt jetzt wieder jeder. Man stelle sich vor, Göring hätte über seine kläglichen Versuche schwadroniert via Schweden mit den Alliierten Kontakt für Friedensverhandlungen aufzunehmen. Ähnlich dem Mythos des Albert Speer geplant zu haben Hitler in seinem Bunker zu vergasen…Was hätten sich zehntausende alter NS-Schergen gefreut endlich die schon lang vermutete Wahrheit zu hören.
Genau so, i.e.S. von EXAKT SO, muss man sich dieses „journalistische“ Machwerk des Herrn IM Peter Bernstein, vorstellen. Es exakt so medial und pressetechnisch bewerten.

Wo ein Claas Relotius (ausführlich HIER) dem ehemaligen „Sturmgeschütz der Demokratie“, die Kanone raubte und die Ketten sprengte, schaffte Herr Friedrich das Meisterstück DDR-Propaganda völlig ungefiltert zu verbreiten. Eben weil er Herausgeber und Eigentümer war.
Dass in diesem Zusammenhang auch anonyme Tipps verwertet wurden, zeigt eine weitere moralische Komponente des Herrn Friedrich auf. Die Neue Züricher Zeitung schreibt in ihrer Ausgabe vom 19.11.19: „(…) Kurz darauf kam heraus, dass er der Chefredaktion den «Tipp» gegeben hatte, über den Börsengang eines Unternehmens zu berichten, ohne zu sagen, dass er selbst daran beteiligt ist.(…).“
Hier könnte die Börsenaufsicht und Staatsanwaltschaft ansetzen. Wenn man in Berlin denn will.
Es wird immer offensichtlicher, dass es ein Fehler war, nach der Wende alte SED-Seilschaften, Stasi-Spitzel und andere Opportunisten des DDR-Unrechtssystems nicht nach unseren Gesetzen zu verfolgen und abzuurteilen. Sondern ihnen nach den von ihnen selbst zurechtgebogenen DDR-Gesetzten die Prozesse zu machen. Man stelle sich vor man würde KZ-Prozesse gegen KZ-Lagerkommandanten nach den NS-Rassegesetzten verhandeln wollen. Eine Lachnummer wäre das gewesen.
So aber konnten diese DDR-Heroen menschlicher Abartigkeit untertauchen, weitermachen, sich reinwaschen, sogar Geschäfte machen, SED-Vermögen verschwinden lassen und nach 30 Jahren wieder unter den Steinen hervorkriechen, unter denen sie all die Zeit weiterschmarotzen. Sie gründeten Stiftungen, wie diese Amadeu-Antonio-Stiftung, die auch von einer ex-IM-Spitzeldame geführt wird, die massiv verklärend und verfälschend auf das einwirken, was wir Freiheit, Recht und Frieden nennen. Eine Stiftung, der Heiko Maas die Überwachung des Netzdurchdringungsgesetzes (NDG) „anvertrauen“ wollte. (sic!)

So scheint es wohl tatsächlich einen inneren Zusammenhang zwischen RRG-Gesamtpolitik in Berlin, sowie 30 Jahre nicht getätigte Aufarbeitung des DDR-Unrechtsregimes und des SED-Terrors zu geben. Gern dann auch gepaart mit der „journalistischen“ Möglichkeit Börsengänge wirtschaftlich lukrativer zu gestalten, um der andauernden Konterrevolution weitergehende Mittel zufügen zu können. So würde das Herr Friedrich sicher beschreiben wollen. In seiner neuen Zeitung. Dem RRG-Hauptstadtblatt, das eine erneute 180-Gradwende hingelegt hat. Da wird der ein oder andere langjährige Mitarbeiter sicher schon ein Schleudertrauma haben.

„Vorwärts immer, rückwärts nimmer“, war so ein bekanntes Zitat des Volkswohltäters Honecker, dessen Urne, samt der seiner lieben Frau Margot, nun ohnehin einen Bestattungsplatz sucht. Bisher tut man sich schwer die Urnen des Herrn Staatsratsvorsitzenden der DDR und Gemahlin – liebevoll im DDR-Volk als die „Lila Hexe“ bekannt, zu finden.
Das Foyer der Berliner Zeitung wäre hier doch stilvoll angebracht. Ideologisch richtig positioniert, historisch korrekt und als ständige Inspiration eines NEUEN DEUTSCHLANDS journalistisch wertvoll und bereichernd.
„Den kapitalistischen Journalismus überholen, ohne aufzuholen“ könnte nun die neue Devise der „Neuen Berliner Zeitung“ werden. Ein vom Autor etwas abgewandeltes Zitat, dem Urnengeist von Erich entnommen.
Tatsache ist, mit dem Paar Silke und Holger Friedrich hat der linke Presseflügel ein Pärchen bekommen, dass die journalistische Landschaft bereichert. Den Niedergang dessen, was Presse sein sollte weiter gen Süden beschleunigen wird. Zusätzlich Werbung kosten wird. Die ohnehin schon traumatische Lage vieler Verlage und Zeitungen in Punkto Wirtschaftlichkeit verschlechtern wird.

Die DDR war nicht in allem schlecht. Allein ihr Recycling-System war wohl besser als das, was durch den Grünen Punkt kam. Ihre Schulen waren in der reinen Grundlagenvermittlung und den heute als MINT-Fächern bezeichneten Kursen wesentlich besser aufgestellt. Die Kita-Förderung vorbildlich.
Aber ideologisch, als stalinistisches Unrechtssystem, eine Tyrannei des Bürgers. Jede Art von Freiheit verhöhnend. Selbst das sozialistische Ideal mit Füssen tretend und so weit von der kommunistischen Vollkommenheit entfernt, wie schon vorher eine andere Art sozialistischen Unrechtssystems: der NSDAP.

Diese Diktatur hat zigtausende in sibirische Gulags verbannt. Mitunter die Genossen, die schon unter der NS-Herrschaft zwölf Jahre in KZs eingesessen hatten. Sperrte Menschen ohne Prozess für Jahrzehnte in Bautzen weg. Ermordete sie nach sog. Geheimprozessen.
Es war ein Fehler diese Täter ungestraft davonkommen zu lassen. Uns an den Einigungsvertrag zu halten. Was wir für diese SED-Bande gebraucht hätten, wäre ein zweites Nürnberger Tribunal gewesen. Mindestens aber eine Art Ethikkommission wie unter Nelson Mandela in Südafrika.
Wo dann ein IM Peter Bernstein als Holger Friedrich seinen Opfern in die Augen hätten schauen müssen. Nachdem er seine ach so gutgemeinten Stasi-Berichte laut hätte vorlesen müssen.

Hätten dann DDR-Täter heute wirklich so ein verlogenes, die Freiheit und die Entwicklung der gesamtdeutschen Republik besudelndes Traktat geschrieben? Es gut gefunden? Sehr wahrscheinlich nicht.

„Ja Genossen. Für wen tun wir das den alles? – Für Euch! – Lacht nicht. Ich lieb Euch doch alle… Ja. Wirklich…“
(Erich Mielke in voller Stasi-Uniform vor der letzten lauthals lachenden Volkskammer der DDR)

Bildquelle: Yusuf Simsek: „Zeitenwende“


Der Autor Sascha Rauschenberger

Sascha Rauschenberger, geboren 1966 in Wattenscheid, ging nach dem Abitur zur Bundeswehr, wo er als Panzeraufklärer und Nachrichtenoffizier Dienst tat. Er diente, unter anderem als Reservist, in vier Auslandseinsätzen, zuletzt als Militärberater in Afghanistan.

Seit 2000 ist er als Unternehmensberater im Bereich Projektmanagement und Arbeitsorganisation (Future Work) tätig.


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