Die Grundrente ist keine Sahneschnitte. Ein Kommentar von Renate Zott

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Guter Wille, viel Bürokratie und wahrscheinlich zu wenig Wirkung. Dafür steht die Grundrente. Meint Renate Zott in ihrem Sonntags-Kommentar.

Von 21 Millionen Rentnern in Deutschland gelten 3,15 Millionen als arm. So die Statistik. Nun stellt sich also die Frage, wie sich der Grundrenten-Kompromiss für die Betroffenen auswirkt und ob er die Hoffnung auf ein würdevolles Auskommen im Alter erfüllen kann. Oder anders gesagt: Lebensleistung belohnt.

Nebenschauplatz: die schlechte Ehe (GroKo)

Der Weg dahin war – wie immer mit monatelangem Gerangel – steinig und schwer. Zum Masterindikator hat man die Grundrente gemacht, nämlich für den (vorläufigen) Fortbestand der GroKo oder ihrem schnellen Ende. Die Ehe (GroKo) ist nicht harmonisch, das wissen wir. Trotzdem macht es überhaupt keinen Sinn, ständig mit Scheidung zu drohen, wenn man gar keine vorzeitige Scheidung will. Stichwort: Lebensabschnittsgefährte/in (das Wort steht ohnehin auf meiner No-Go-Liste). Aber so ist es heute in der politischen Landschaft, man versteht sich hervorragend darauf, den Wählerinnen und Wählern die innere Zerrissenheit öffentlich vorzuführen, um danach stolz Einigkeit zu präsentieren. So nach dem Motto: „Hoch lebe die Demokratie, wir konnten uns noch einmal verständigen“. Das alles nach nächtelangen Diskussionen. Schließlich muss der Wähler wissen, dass man sich für die Sache voll ins Zeug legt. Gelungen ist dann ein ’sozialpolitischer Meilenstein‘, wie Arbeitsminister Hubertus Heil den Kompromiss am Sonntag, 10.11.2019 stolz bezeichnet hat. Ob der die Altersarmut heilt, was Heil verspricht – mehr als fraglich.

Wer, wie, was…?! (Kleiner Schwenk zur Sesamstraße, nur so in Gedanken…)

Beim Lesen der Eckdaten, Voraussetzungen und Fallbeispiele, die kursieren, prognostiziere ich im Hinblick auf eine Meilensteintrendanalyse, dass die Grundrente vor allem eins wird: nämlich bürokratisch und teuer. Bürokratisch: weil der automatische Abgleich zwischen Finanzämtern und der Rentenversicherung eben noch nicht automatisch funktioniert und mit Datenlücken zu rechnen ist. Teuer: weil die Rentenversicherung für die Anspruchsprüfung mehrere 1000 Mitarbeiter einstellen muss. Hinzu kommt, dass die Ausgestaltung der Neuregelungen mit zig ungeregelten Detailfragen noch ansteht. Ich schätze also, die Gebrauchsanleitung wird ein dickes Buch. Eins mit sieben Siegeln für die, denen man mit der Grundrente ein besseres Leben versprochen hat? Der Ansatz einer automatischen Grundrentenzahlung ohne Antragstellung ist ohne Frage löblich, sollte aber jedem Einzelnen nicht die Chance darauf nehmen, den Anspruch ohne Mathematikstudium selbst zu ermitteln.

Liest man dann – so auszugsweise: … Bekommen soll die Grundrente, wer weniger als 80 Prozent Beiträge gezahlt hat als ein Durchschnittsverdiener, aber mehr als 30 Prozent. Für diesen Personenkreis wird die Rentenleistung verdoppelt – allerdings höchstens auf 80 Prozent der Durchschnittsleistung und maximal für 35 Beitragsjahre. Dieser Zuschlag wird dann aber um 12,5 Prozent gekürzt…. Oder aus der Rückfalllösung für Rentner, die in teuren Städten wohnen: … Für diese Betroffenen wird ein Freibetrag in der Grundsicherung eingeführt: Die ersten 100 Euro ihrer Rente dürfen sie voll behalten, von jedem weiteren Euro ihrer Rente 30 Cent. Maximal können sie von ihrer Rente bis zur Hälfte des Regelsatzes behalten – derzeit sind das 212 Euro im Monat. Außerdem gibt es für Bezieher der Grundrente einen Freibetrag beim Wohngeld, damit ihnen bei dieser Sozialleistung nicht gleich wieder abgezogen wird, was sie durch die Grundrente bekommen haben…

Transparent kann ich das nicht nennen, eher Rentensatire und eine Steilvorlage für die „heute-show“.

Wer zahlt?

Zum Thema Finanzierung sagt Manuela Schwesig (SPD) im Deutschlandfunk: „Ich glaube, wir müssen uns über die Finanzierung keine Sorgen machen. Das ist gesichert.“ Die Kosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro seien im Haushalt darstellbar. Ich bin mir nicht sicher ob darstellbar ist, wenn ich zu meiner Bank gehe und sage: „Ich möchte eine Immobilie finanzieren und glaube, dass ich die über mein Aktienpaket bedienen kann. Bei meinen Nachbarn klappt das prima.“ In der Politik darf man halt glauben und im Zweifel auch Berge von Schulden anhäufen. Dem Privatmann (Frauen auch) zeigt der Banker dafür – Entschuldigung – kopfschüttelnd einfach nur den Vogel, sobald er/sie die Bank verlassen hat. Apropos Nachbarn, also bei den Franzosen, wurde die Transaktionssteuer auf den Handel mit Aktien 2012 eingeführt und so wollen wir das nun auch machen, um die Grundrente für etwa 1,5 Millionen Bezugsberechtigte (merke: bei 3,15 Mio. Rentnern, die als arm gelten) zu finanzieren. Die Steuer soll termingerecht zum Start der Grundrente kommen und dass die am Ende von den Normalsparern zu bezahlen ist, versteht sich irgendwie schon von selbst.

Vielleicht ist die Grundrente ein gut gemeintes Symbol; von Treffsicherheit kann man wohl nicht sprechen. Und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass das ganze Ding mehr Aufwand schafft, als es am Ende für die Rentner*innen, die es tatsächlich bräuchten, wert ist.


©Renate Zott
Die Autorin Renate Zott

Renate Zott wohnt in Frankfurt am Main und ist aktive Kämpferin für ein positives Altersbild. Renate Zott, erst Versicherungs-Maklerin und jetzt Managerin einer Haustechnik-Firma, ist verheiratet und Mutter eines erwachsenen Sohnes.

Renate Zott ist Botschafterin des Bundesverband Initiative 50Plus und Kreis-Geschäftsführerin des BVI50Plus in Frankfurt am Main.

Sie betreibt den Blog www.topagemodel.de. Renate Zott ist auch bei Facebook und Instagram.


Dieser Kommentar erschien zuerst auf: Dnews24


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