Überall die gleichen Probleme: Zum Toten am Ebertplatz in Köln – Eine Bürgerversammlung mit Prominenz zeigt Rückgrat

Estimated read time 8 min read
[metaslider id=10234]

von Sascha Rauschenberger

 

Am Sonntag gab es einen Toten am Ebertplatz in Köln. Wir berichteten (HIER) über Hintergründe der Tat, über den Platz an sich und auch die Wut der Bürger. Wut resultierend aus all dem bürgerlichen und kommunalen Engagement den Platz endlich dem Bürger zurück zu holen und auch die Wut derer, die hier einen ständigen Verfall dessen sehen, was Recht und Ordnung einmal war.

Die gestern Abend durch den Bürgerverein Kölner Eigelstein e.V. initiierte Versammlung mit prominenter Besetzung hatte einen riesen Andrang. Der Saal war überfüllt. Der Innenminister von NRW Reul, die Oberbürgermeisterin von Köln Reker, der Polizeipräsident von Köln Jacobs und Oberstaatsanwalt Bremer stellten sich den Fragen der Bürger. Aber auch ihrem Zorn, dass es mal wieder einen Toten gab.

Dass in dieser Zusammensetzung und bei so unterschiedlichen Ansatzpunkten und Meinungen die Atmosphäre emotional war, ist nachvollziehbar. Durch die Moderatorin klar aufgestellte Regeln für das Miteinander konnte aber eine gewisse von allen respektierte Grenze aufrechterhalten werden. Eine Grenze, die im Saal von allen auch verteidigt wurde. Pöbeleien waren selten. Ein paar Leute des Saales verwiesen. Ohne Ordner und Polizei.

Die anfänglichen Anfangsstatements der Podiumsprominenz wurden eine Zeitlang geduldig ertragen, es gehört zum Geschäft wie jeder bereit war eine Zeitlang auch zu akzeptieren. Dennoch wurde nach fast einer Stunde lautstark die Aussprache und Diskussion gefordert, was die Moderation auch sofort umsetzte. Die Stimmung im Saal gut einschätzen könnend.

Und sofort setzte die Schlacht um das Wording ein. Das Wort „Schwarzafrikaner“ wurde als rassistisch eingestuft. Gleich dann auch die Polizei als mit rassistischen inneren Problemen behaftet bezeichnet, wogegen sich der Polizeipräsident Jacobs verwehrte. Unter donnerndem Applaus des Saals. Man kam überein auch Probleme benennen können zu dürfen. Der Unmut einiger darüber hing wie ein Schatten über der Versammlung.

Minister Reul wurde gefragt, wie er denn zu seiner Aussage zur Schließung des afrikanischen Lokals nun stehen würde. Er reagierte deutlich zurückhaltend und ihm war anzusehen, dass er seine Meinung geändert hatte. Dazu später mehr.

Frau Reker betonte, dass Köln eine Millionenstadt ist, Gäste kommen und gehen und dass es auch Gäste gibt, die man hier nicht so gern hätte.

Zwei Wortmeldungen aus dem Saal drückten sich da präziser – also politisch unkorrekter – aus. Eine Chinesin beklagte, dass man in Deutschland gewissen Leuten zu viel durchgehen lässt, zumal sie das Gastrecht missbrauchen.
Ein afrikanisch stämmiger Bürger forderte ein polizeiliches massives Vorgehen ein, um die Dealer aus dem Geschäft zu drängen. Zwei, dreimal am Tag mit fünfzig Beamten über Monate den Platz zu säubern. Der Kriminalität so den lukrativen Boden zu entziehen. Der Polizeipräsident hielt nichts davon.
Eine andere Bürgerin sagte auch ganz klar, dass die Hauptkunden der Dealer aus dem Veddel (so nennen die Kölner ihre Stadtviertel) selbst kommen. Deutsche sind. Und zwar aus allen Schichten. Auch das wurde mit Applaus bedacht.

Der Polizeipräsident führte aus, dass die Videoanlage dank Budgetzuweisung und Budgetfreigabe samt Ausschreibung nicht von jetzt auf gleich bereitgestellt werden konnte. Man aber heute  mit dem Setzen der Masten begonnen habe. Der Vorlauf bis heute 18 Monate betrug. Daher auch keine Videoanlage am Sonntagmorgen da war. Eine Behörde hohe Auflagen hätte, so eine Anlage überhaupt genehmigt zu bekommen. Und diese Anlage dann auch von Bürgern kritisch vor Gericht hinterfragt werden würde, was dann den Einsatz zusätzlich verzögert. Schilderte auch bauliche Probleme. Etwas, was der Bürger gern übersieht. – Die Freude darüber hielt sich natürlich in Grenzen.

Irgendwo in der Diskussion, die sich um Recht, Hürden und Probleme bei Strafverfolgung, Beweisführung und Anspruch drehte wurde dann die eher konservative Fraktion im Saal verloren. Man ging einfach. Frustriert, dass wieder mal nicht passiert. Keine sofortige härtere Gangart möglich ist. Nicht gewollt ist. Oder auch nicht schnell herbeigeführt werden kann.

Und auch weil einige Gestalten meinten nun diskutieren zu müssen, dass die Drogenkriminalität sinkt, wenn man Drogen legalisieren würde. Das wurde mehrheitlich, eigentlich durch die Bank von allen abgelehnt. Reker sagte, dass sie für Cannabis auf Rezept wäre, gerade auch für die Lebensqualität für Ältere und Schmerzpatienten, diese Rezeptpflicht aber kaum bei den Dealern und deren Kunden ankommen würde. Überhaupt zeigte Frau Reker eine klare Kante. Sozial ja, aber ganz klar gegen kriminelle Strukturen, die den Bürger bedrohen.

Oberstaatsanwalt Bremer und Polizeipräsident Jacobs kamen dagegen eher wie etwas bürgerferne Bürokraten rüber. Jacobs wurde sogar für seine Aussage ausgelacht, dass die Kölner Polizei vor gar nichts Angst hätte. Das sah man im Saal anders. Jacobs sollte sich einmal ernsthaft fragen, wie er zu seiner Einschätzung kommt, die der Bürger so komplett anders sieht. Hier ist dringender und auch zwingender Handlungsbedarf!

Dann wurde Sam O. das Wort erteilt. Der Wirt des African Drum, des Lokals, vor dem die Massenschlägerei stattfand, schilderte seine Erfahrungen mit den Dealern. Sam hat eine strikte Nulltoleranzlinie für Drogen in seinem Lokal durchgesetzt, was von allen Podiumsteilnehmern bestätigt wurde. Sam sagte, dass wenn man Polizei will, man eine Schlägerei melden müsse, da sonst keiner kommt. Der Polizeipräsident blickte pikiert.
Er bot wieder seine uneingeschränkte Kooperation mit Behörden und Stadt an, das Problem in den Griff zu bekommen. Er selbst könne nur in seinem Lokal für Ordnung sorgen. Außerhalb bräuchte man vor allem die Behörden.
Dass der Saal geschlossen hinter Sam stand, braucht nicht erwähnt zu werden. Man ging sogar so weit zu sagen, dass Sam und sein Lokal Teil einer gesamtheitlichen Lösung sein müsse -man sein Engagement zur Eindämmung von Drogenhandel anerkennen würde.
Sam bot dem Polizeipräsidenten nach der Versammlung nochmals ausdrücklich seine Unterstützung und Kooperation an.

Die Versammlung endete nach zwei Stunden. Gemeinschaftlich mit dem Gefühl, die Welt in Köln nicht verbessern zu können, auch keine neuen Gesetzte schaffen zu können aber mit einem besseren Verständnis dessen, was möglich ist, was getan werden muss und auch wie es der Bürger wahrnimmt. Dass hier viele Bürger schon vorher den Saal verlassen hatten, zeigt dies deutlich. Es ist fünf vor Zwölf.

Doch was tat Innenminister Reul, der Sonntag „die Schließung der ursächlichen Gastronomie am Westende des Platzes“ gefordert hat. Der Autor fragte im letzten Artikel wie der Minister das Wort HEUCHELEI buchstabieren würde. Das African Drum zur Ursache für ein kommunales Problem zu machen.
Die Frage hat sich für den Autor beantwortet. Minister Reul buchstabiert „Heuchelei“ wie C-H-A-R-A-K-T-E-R!

Nach der Versammlung nutzte er mit seinem Stab die Gunst der Stunde nochmals über den gut besuchten Ebertplatz zu gehen. Es liefen mehrere Feten. Es herrschte eine entspannte Atmosphäre in sommerlicher Abendhitze.
Er kam zum African Drum. Fragte nach Sam, dem Wirt. Der Autor war im Lokal selbst zugegen. Hat kein Bild davon gemacht. Sah es als persönliche Geste des Ministers an. Und zwar so, wie es der Minister meinte. Als Mensch. Leider war Sam noch im Versammlungslokal beim Polizeipräsidenten…

Es ist schön zu sehen, dass auch Minister im Rahmen ihrer PR-Fesseln so etwas tun. Sonst erpicht als  fehlerlos dastehen zu können. Man fragt sich wer zu so etwas rät…
Herr Reul hat den Weg zum African Drum gefunden. Ohne Presse. Ohne nette PR-relevanten Bilder für den Rest der Welt. Einfach, weil es ihm wohl persönlich wichtig war. Das war gut. Und man hofft, dass das Gespräch noch zu Stande kommt.

Für den Autor war das der beste Teil des Abends. Es wäre schön, wenn das überall und immer möglich wäre. Auch wenn es sonst keiner gesehen hat, Charakter ist erst wichtig und relevant, wenn er auch unabhängig von Kameras zu sehen ist. Minister Reul hat ihn ganz offensichtlich. Und es freut mich das so klar sagen zu können.

 

Dennoch ist es wichtig die Zeitlinie im Auge zu behalten. Der Umbau des Platzes soll ab 2022 erfolgen, wenn es keine Komplikationen (Klagen!) gibt. Erfahrungsgemäß braucht das in Köln dann ein paar Jahre. „Et kütt wie et kütt“, ist eine Kölsche Weisheit mit Quasi-Gesetzescharakter.  

Ab 2024 wird auch Köln sehr viele seiner 5500 Polizeibeamte in Pension gehen lassen müssen. Landesweit sind es 20%. Auch hier ist die Demographie unerbittlich (HIER). Es werden also viele Beamten fehlen. Und bis dahin sollte man das Problem im Griff haben. Die Uhr läuft hier gegen die Stadt, gegen die Bürger und auch gegen die Polizei. Das sollte man immer im Auge behalten. Im Hinterkopf haben.


[metaslider id=20815]

More From Author

+ There are no comments

Add yours

Wir freuen uns über Kommentare